MitteilungsblattGedenken zum 80. Todestag von Anton Geiß

3. März 2024by Ideenfabrik0

Wir haben uns heute hier am Grab von Anton Geiß und seiner Frau Karolina versammelt, um einen aufrechten Demokraten zu ehren. Heute vor 80 Jahren starb er hier bei uns in Schriesheim ein Jahr vor Ende des zweiten Weltkrieges.

Viel ist über Anton Geiß in den vergangenen Monaten gesagt und geschrieben worden. Nachdem der erste badische Ministerpräsident zwischenzeitig fast vergessen war, ist er in den letzten Jahren ein fester Bestandteil unserer demokratischen Erinnerungskultur geworden. Wir stehen hier vor seinem Ehrengrab, das ihm hier in Schriesheim errichtet wurde und das seit vielen Jahren vom SPD-Ortsverein gepflegt wird. Aktuell kümmern sich Christel und Frieder Menges regelmäßig um sein Grab. Euch beiden vielen Dank dafür!

Im vergangenen Jahr wurde als Zeichen der Wertschätzung der schönste Platz Schriesheims nach ihm benannt. Der Ort, wo er seit seinem Umzug nach Schriesheim 1933 wohnte, ist nun unser Anton-Geiß-Platz. Da so viel über ihn gesagt wurde, wäre es jetzt müßig, sein Leben noch einmal im Detail Revue passieren zu lassen.

Wir wissen, er war ausgebildeter Schreiner – was zeigt wie weit man als Handwerker kommen kann. Später war er als Gastwirt tätig und begann seine politische Tätigkeit. Zunächst als Stadtrat in Mannheim 1896, dann als Mitglied des badischen Landtags 1897, ab 1907 als Vizepräsident des badischen Landtags und ab 1918 als Landesvorsitzender der SPD. Am Ende des ersten Weltkrieges war er derjenige, der am 8. November 1918 die Delegation anführte, die den großherzoglichen Ministerpräsidenten zum Rücktritt aufforderte. Nach dessen Rücktritt führte er zunächst die „vorläufige Volksregierung“ bevor er am 3. April 1919 der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident Badens wurde.

Ich sagte, ich wolle sein Leben nicht im Detail beleuchten, das hat beispielsweise unser Stadtarchivar Dr. Dirk Hecht bei der Einweihung des Anton-Geiß-Platz in ganz herausragender Art getan. Ich habe mir die Frage gestellt, was würde Anton Geiß denken, wenn er heute hier wäre.

Zunächst einmal würde er sich über den vielen Trubel wundern, den es heute hier gibt. Über die Musik, das Riesenrad, den Umzug… zwar gab es damals schon den Mathaisemarkt und er hatte auch schon ersten Volksfestcharakter. Von dem, wie Schriesheim heute Kopf steht, wäre er vermutlich überrascht. Aber ich denke, es hätte ihm gefallen.

Anton Geiß hat miterleben müssen wie zwei Weltkriege Europa zerrütteten und Deutschland zerstörten. Zwei schreckliche, durch nationalen Größenwahn ausgelöste Gewaltexzesse, die ganze Generationen ausgelöscht haben. Heute müsste er sehen, wie erneut ein von nationalem Größenwahn getriebener Autokrat Krieg in Europa entfesselt hat. Und er müsste mit Entsetzen sehen, dass es auch in Deutschland Leute gibt, die auch noch Verständnis dafür zeigen. Die gleichen Leute, die unser großes erfolgreiches Friedenskonzept, die Europäische Union, in Frage stellen und lieber wieder eine nationalen Alleingang wollen. Ich bin mir sicher er würde sagen: habt ihr denn nichts aus der Geschichte gelernt? Erinnert euch, was uns wiederfahren ist. Nicht nationaler Größenwahn – Zusammenarbeit ist der Weg in die Zukunft.

Anton Geiß wuchs in einer Zeit auf, in der die Zeitung noch das wichtigste Informationsmedium war. Er hat den Einzug und den Aufstieg eines neuen Massenmediums erlebt: des Radios, das in Form des Volksempfängers in viele Haushalte kam. Er hat aber auch miterleben müssen, wie dies für Propaganda ausgenutzt wurde. Wie es gefüllt wurde mit Lügen – heute würde man sagen „Fake News“, um den Menschen eine verzerrte Realität vorzugaukeln. Wenn ihm jetzt jemand zeigen würde, was in dem neuen Massenmedium unserer Zeit, den sozialen Medien los ist und wie erneut absurde Lügen ein verzerrtes Bild der Realität zeichnen, würde er uns vermutlich sagen: habt ihr denn nichts gelernt? Macht die Augen auf, lasst euch nicht täuschen!

Anton Geiß hat miterleben müssen wie viele seiner Parteigenossen verhaftet und eingesperrt wurden. Er lebte in einer Zeit, in der Nachbarn einfach fortgeschafft wurden und nie wieder kehrten. Wenn er heute lesen würde, wie wieder Rechtsextreme von „Remigration“ reden, würde er sich an die Nürnberger Rassengesetze erinnern, die das Zusammenleben der Menschen in seiner Zeit vergifteten. Er würde kaum glauben, dass wieder „nicht assimilierte“ Menschen vertreiben werden sollen, wie sie uns wieder in zwei Gruppen spalten wollen, die echten Deutschen und die anderen. Er würde uns sicher sagen: erinnert euch! Lernt aus den Verbrechen, die in meiner Zeit begangen worden. „Nie wieder ist jetzt!“ wäre sicher auch auf seinen Lippen.

Anton Geiß hat über viele Jahre für die Demokratie in Deutschland gestritten. Er hatte einen großen Beitrag daran, dass eine demokratische Republik in Deutschland entstehen konnte. Er hat aber auch miterleben müssen, wie diese wieder zerstört wurde. Wie sie von innen ausgehöhlt und von ihren rechtsextremen Feinden mit ihren eigenen Mitteln Stück für Stück zerschlagen wurde. Heute müsste er mit anschauen, wie Rechtspopulisten in ganz Europa wieder versuchen den Rechtsstaat Stück für Stück auszuhöhlen. Erneut ist unsere Demokratie in Gefahr. Er würde vermutlich laut ausrufen: „Erinnert euch an das Ende der Weimarer Republik. Steht auf! Schützt eure Demokratie und wartet nicht ab.“

Anton Geiß war ein Mann, der einte, der mit verschiedenen Parteien zusammenarbeiten konnte. Er war ein Mann, der begriffen hatte, dass Demokratie aus Kompromissen besteht; aus Zusammenarbeit, ja auch mal im Zurückstecken. Ich glaube er wäre stolz zu sehen wie viele Menschen sich doch erinnern. Es würde ihn freuen, wie viele Menschen gemeinsam auf die Straße gehen. Ihm, der den Ausgleich suchte, hätte es gefreut zu sehen, wie sich alle demokratischen Parteien, die Kirchengemeinden, die Sportvereine und viele Privatpersonen zusammentun. Wenn er aus seinem Fenster die Menschenmassen gesehen hätte, die auf dem Platz, der seinen Namen trägt, gemeinsam für Demokratie einstehen, würde er sicher herunterkommen und sich bei uns einreihen.

Demokratie braucht Erinnerung an die Fehler der Vergangenheit, aber auch an große Vorbilder der Demokratie wie Anton Geiß. Wir können stolz sein, ihn bei uns in Schriesheim zu haben und sollten ihn und seinen Geist der Zusammenarbeit weiter in Ehren halten!

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